Dankbarkeit als eine islamische Quelle für das psychische Wohlbefinden
„Ich werde danken, nicht als würde ich dir vergelten, indem ich meinen Dank schenke, sondern damit ausgedrückt werde: Sein ist der Dank. Ich gedenke meiner Tage bei Dir und Deiner Schönheit. Das letzte, was dem Dankbaren zu tun bleibt, ist das Gedenken.“
Abū l-Husayn al-Nūrī
Die Dankbarkeit wird seit Jahrhunderten von Theologen, Philosophen und Sozialwissenschaftlern als unverzichtbare Manifestation von Tugend und Charakterstärke betrachtet. Sie gilt wie auch Weisheit, Hoffnung, Liebe, Spiritualität und Bescheidenheit als eine der klassischen Quellen der menschlichen Stärken und wird sowohl als Gefühl als auch Stimmung, Tugend und Bewältigungsstrategie bezeichnet.
Sie ist eine wichtige Dimension in unserem Leben mit unseren Mitmenschen. Wenn die Menschen regelmäßig Dank empfangen und geben würden, könnte die Welt zu einem viel schöneren Ort werden. Ohne Dank gibt es dagegen mehr Unzufriedenheit, Gleichgültigkeit und Verzweiflung in der Gesellschaft. Gefühle wie Wut, Neid und Bitterkeit würden vorherrschen und können glückliche soziale Beziehungen verhindern. Es bleibt ein Gegenstand der Streitigkeit, warum die Dankbarkeit einer allgemeinen Geringschätzung gegenübersteht.
Obwohl Dankbarkeit ein tiefes und komplexes Phänomen und für das menschliche Glück von nicht unerheblicher Bedeutung ist und eindeutig zu den Werten gehört, die das Leben eines Menschen messbar verändern können, wurde sie von der Wissenschaft lange nicht näher geforscht. Erst durch die Positive Psychologie, die einen sehr jungen Teilbereich der wissenschaftlichen Psychologie darstellt und das Thema des psychischen Wohlbefindens zum Programm macht, hat sie Eingang in deren Forschung gefunden. Im Islam hat die Dankbarkeit einen hohen Stellenwert, sowohl in den religiösen Quellen, als auch im theologischen und sufistischen Schrifttum. In der religiösen Praxis, wie auch in der spirituellen Lehre nimmt die Beschäftigung mit der Dankbarkeit einen wichtigen Raum ein, doch scheint diese Form des Zugangs zur Dankbarkeit auch im religiösen Kontext nicht mehr eine Mehrzahl an Menschen erreichen zu können.
Es ist zu vermuten, dass die Dankbarkeit, wie andere „alte“ Werte und Tugenden auch, insbesondere aufgrund der traditionellen Vermittlung zu moralisch, abstrakt, passiv und „altmodisch“ wahrgenommen wird. Unter Umständen entstehen Rezeptionsprobleme, weil von verschiedenen Seiten der muslimischen Gesellschaften die herkömmliche, traditionell-religiöse Kommunikation auch zu „totalitär und autoritär“ und nicht „zeitgemäß“ wahrgenommen wird. Es gibt jedoch eine Tendenz, die dahingeht, dass das alte Wissen mit neuen Methoden kombiniert wird. In der Rubrik der Ratgeberliteratur wird Wissen aus den Bereichen der modernen Psychologie, den Religionen und der Spiritualität zusammengeführt und Menschen Heilung oder besseres Selbstmanagement versprochen. Allgemein steigt das Interesse an solcher Literatur.
Ähnliche Bewegungen finden auch in der Wissenschaft statt und gewinnen in den letzten Jahren nicht unerheblich an Popularität: Religiöse Ressourcen fließen in moderne wissenschaftliche Disziplinen, wie die empirische Psychologie, ein und werden für eine moderne Anwendung übersetzt. Die Überführung eines traditionellen Themas wie Dankbarkeit und Nutzung islamischer Ressourcen für die Bewältigung der Lebenspraxis als modernes Phänomen in die Sozialwissenschaften insbesondere in die Psychologie, ist ein spannendes Phänomen.
Das ist jedoch ein noch sehr langsam voranschreitender Vorgang. Gewiss werden es immer auch Berührungsängste zwischen Wissenschaften und religiöse Glaubenssätze geben und dadurch hybride Arbeiten und Forschung in der Richtung erschweren. Auch wenn die moderne Psychologie andere Ansätze und andere Konzepte als die des Islam anbietet, scheinen die Konsequenzen der Dankbarkeit der Menschen in der Regel positiv für sie zu sein, unabhängig davon, ob die Herangehensweise religiös oder wissenschaftlich ist.
Der hauptsächlicher Unterscheid bei der Bestimmung der Dankbarkeit scheint der zu sein, dass es bei der modernen Psychologie in der Regel fast immer um ein Selbst und um subjektives Wohlbefinden geht und in dem islamischen Verständnis es um die Nähe Gottes geht, da es nur dadurch ein Heilsversprechen gibt. Was subjektives bzw. psychisches Wohlbefinden bedeutet, ist leicht zu beantworten. Dieses ist ein Konstrukt von drei Komponenten: eine länger anhaltende Lebenszufriedenheit, häufig erlebte positive Affekte wie Freude, Glück und Begeisterung und selten auftretende Affekte wie depressive Verstimmung, Ärger und Stress.
Die Frage dagegen, ob einen Bezug zwischen dem islamischen Erleben von Dankbarkeit und eigenem psychischem Wohlbefinden hergestellt werden kann, scheint komplizierter zu sein, da explizit zu dem Thema nahezu keine Arbeiten existieren. Im Folgenden sollen auch keine Antworten dazu geben. Vielmehr soll eine Anregung dazu stattfinden. Gemäß dem islamischen Verständnis bedeutet Dankbarkeit, die Güte, die einem wiederfahren wird, zu erkennen, diese zu erwidern und den Geber zu schätzen und zu loben. Ihr wird im Islam eine ganz besondere Rolle zugewiesen. Dankbarkeit (škr) nach muslimischer Gelehrsamkeit ist ein Attribut Gottes und der tugendhaften Person, die die Entgegenbringung von Anerkennung, Würdigung und Wertschätzung von empfangenen Leistung, Wohlgefallen, Wohltat oder Begünstigung beinhaltet. Gott als Gebender beschenkt darüber hinaus sogar mit Überfluss, Reichtum, mit Multiplikation, womit er als der einzige, absolute Dankbare gilt.
Dankbarkeit gegenüber Gott ist ein wesentlicher Bestandteil des Glaubens; daraus folgt, dass ihr Gegenteil Undankbarkeit (kufrān) oder Untreue (kufr) bedeutet. Außerdem wird Dankbarkeit nicht nur als religiöse, sondern auch als eine soziale Pflicht verstanden aufgrund eines bekannten Ausspruchs des Propheten (ḥadīṯ), indem er Undankbarkeit gegenüber dem Mitmenschen mit Undankbarkeit gegenüber Gott gleichgesetzt hat. Des Weiteren spielt die Dankbarkeit eine nicht unerhebliche Rolle darin, dass sich die Gläubigen zum Gebet und zu rituellen Verrichtungen begeben, um ihre Zufriedenheit Gott gegenüber kund zu tun.
Üblich sind die Gebete, die mit zwei Verbeugungen (rakʿa) gemacht werden, indem der Gläubige sich in diesem Gebet nur dem Dank zu Gott widmet. Aber auch eine „formlose“ Verbeugung (sajda) als Dankesverbeugung ist ausreichend, die „sajda aš-škr“ bedeutet. Ebenso können freiwillige Gaben an Arme (ṣadaqa, pl. ṣadaqāt), Opfergaben oder auch eine besondere Hilfestellung für einen Menschen gemacht werden, um Gott für einen ganz bestimmten, in Erfüllung gegangenen Wunsch oder etwas anderes Gelungenes im Leben zu danken. Dankesgebete und Rituale ohne einen bestimmten Grund, nur um Gott zu danken, sind auch üblich. Das Wort Dankbarkeit finden wir in verschiedenen Wortvariationen wie Dank, dankbar und die Dankbaren im Koran in über fünfundsiebzig Stellen. In der Koransure 2 Vers 172 wird die Wichtigkeit des Dankes deutlich; die Gläubigen sollen allein dem Gott dienen und ihm danken. Die Dankbarkeit wird mit Glauben gleichgesetzt. Gott sprach in der Koransure 4 Vers 147: „Wie sollte ich euch bestrafen, wenn ihr dankbar und gläubig seid?“. Durch das Vorhandensein und die enge Verknüpfung der Dankbarkeit mit dem Glauben soll der Mensch von der Strafe freigesprochen werden. In vielen Versen des Korans wird das Wort „škr“ als das Gegenteil vom „kufr“ angewandt. Die Koransure 39 Vers 7 ist ein wichtiges Beispiel dafür. In der Koransure 76 Vers 3 heißt es: „Wir haben ihn den rechten Weg geführt, mochte er nun dankbar sein und die Rechtleitung annehmen, oder undankbar (gleichbedeutend mit ungläubig). In der Koransure 2 Vers 243 heißt es: „…. Gott ist huldvoll gegen die Menschen, aber die meisten danken (es ihm) nicht.“ Gott ist im Koran „der Dankbare“ (aš-šākir) und „der besonders Dankbare“ (aš-šakūr).
Die Bezeichnung „Der besonders Dankbare“ gehört auch zu den sogenannten schönsten 99 Namen Gottes, die auch auf den Koran zurückgeführt werden. Wie manche der Gelehrten (al-Hakim al-Nisābūrī, 405/1014) behaupten, gehöre auch „der Dankbare“ zu den schönen Namen Gottes. Beide Beschreibungen Gottes seien auf den Koran zurückzuführen. Gleichzeitig werden diese Begriffe auch als Attribute für fromme Gläubige gesehen. Mit der Beschreibung Gottes als dem „besonders Dankbaren“ ist gemeint, dass Gott den Einzelnen für seinen Dank vergilt, das heißt ihn belohnt. Nach al-Qušairī nennt man die Vergeltung für den Dank dann Dank. Das Wesen des Dankes ist das Lob des Wohltäters durch die Erwähnung der Wohltat.
Der Dank des Menschen gegenüber Gott ist sein Gotteslob durch die Erwähnung der ihm erwiesenen guten Tat, und der Dank Gottes gegenüber dem Menschen ist sein Lob für den Menschen durch die Erwähnung seiner für ihn vollbrachten guten Tat. Im Koran wird den Menschen mehr Gnade versprochen, wenn sie dankbar sind. Durch die verschiedenen Überlieferungen der Aussprüche und Taten des Propheten Muḥammad wird deutlich, welchen Stellenwert die Dankbarkeit für ihn hatte.
Auch in den Überlieferungen des Propheten geht es zum einen darum, dass der Mensch dem Gott dankt und zum anderen, dass Gott dem Menschen dankt. Jemand, der ein Hindernis vom Gehweg räumt, das anderen schaden könnte oder einem durstigen Hund etwas zum Trinken gibt, soll von dem Propheten mit den Worten gewürdigt worden sein: „Gott hat ihm gedankt und ihn in sein Paradies aufgenommen.“ In einer weiteren Überlieferung wird den Gläubigen weitervermittelt, dass der Prophet gesagt hat, dass diejenigen, die für das „Wenige“ nicht danken, auch nicht für das „Viele“ danken können.
Nach einer anderen Überlieferung befahl der Prophet, dass jeder Gläubige anstelle von Gold und Silber ein dankbares Herz und „Gottgedenken“ besitzen solle. Dankbarkeit ist auch bei den Sufis ein ganz besonderes Thema. Sie bedeutet bei den Sufis sowohl einen inneren Zustand als auch eine äußerliche Bekundung und ist eine Wegstation (maqām) des Gottsuchenden (tālib, murīd oder sālik). Ohne Dankbarkeit kann der Mensch nicht zu Gott und seiner Liebe, Akzeptanz und Anerkennung gelangen. Sie ist somit eine der wichtigsten Voraussetzungen auf dem Weg zur Gottesliebe und damit auch zu sich Selbst. Nach den Sufis sind Unwissenheit und Undank Sünde. Wer die Gaben Gottes nicht erkennt und dafür nicht dankt, ist kein treuer Diener. Und ohne Treue gibt es keine Freundschaft mit Gott.
Nach an-Nūrī wollen die Sufis Gott erreich, nicht seine Gaben. Nur Gott allein genügt. Das Thema der Dankbarkeit war für viele bekannte, muslimische Gelehrte ein wichtiges Thema, dem sie sich intensiv gewidmet haben. Ganz wichtige Werke, wie die „Die Wiederbelebung der religiösen Wissenschaften“ (Iḥyāʾ ʿulūm ad-dīn) von Al-Ġazzālī, „Die Nahrung der Herzen“ (qūt al-qulūb) von Abū-Ṭālib al-Makkī, „Schlaglichter über das Sufitum“ (kitāb al-lumaʿ) von Abū Naṣr as-Sarrāğ, „Das Rüstzeug der Ausdauernden und der Vorrat der Dankenden“ (ʿuddat aṣ-ṣābirīn wa ḏaḫīrat aš-šākirīn) von Ibn Qayyim Al-Ǧauziyya, „Das Sendschreiben über das Sufitum“ (ar-risāla) von Abū’l-Qāsim ʿAbd-al-Karīm Ibn-Hawāzin al- Qušairī erhalten eigene Kapitel über das Thema. In diesen bekannten Werken werden nicht nur die eigenen Gedanken und das Wissen der genannten Gelehrten festgehalten, sondern auch die Aussagen früherer Sufis und Gelehrter, wie unter anderem Dhū n-Nūn al-Misrī, Abū Yazīd al-Bistāmī, Sahl at-Tustarī, al-Ǧunaid und al-Hakīm at-Tirmidhī.
Al-Ġazzālī kann ganz besonders hervorgehoben werden, nicht nur, weil seine Ausführungen sehr konkret, detailliert und umfangreich sind, sondern er einer der schillerndsten unter den Gelehrten ist, als Sufi, als Theologe und Jurist. Zum Thema Dankbarkeit hat er nicht nur das eigene Wissen und die eigenen Gedanken niedergeschrieben, sondern auch das vorhandene Wissen der anderen Gelehrten, wie al-Makkī teilweise zusammengefasst und teilweise neu interpretiert. Wenn man sich mit dem Thema Dankbarkeit etwas eingehender beschäftigt, bekommt man den Eindruck, dass auch die westlichen Autoren von al-Ġazzālīs Gedanken beeinflusst oder inspiriert sind, ohne dass er explizit genannt wird.
Nach al-Ġazzālī hat Gott bei Allem, was er den Menschen versprochen hat, die Dankbarkeit besonders behandelt, da er hier das „Mehr“ absolut zugesichert hat, ohne eine Bedingung auszusprechen. In der Koransure 14 Vers 7 heißt es nämlich: „Wenn ihr dankbar seid, werde ich euch noch mehr Gnade erweisen.“ Nach al-Ġazzālī hat Gott die Dankbarkeit mit dem Gottgedenken verknüpft. Seine Worte „gedenkt meiner, dann gedenke ich euer, und seid mir dankbar und nicht undankbar“ zeigen, dass Gott mit dem Dank als Gegenleistung von Seiten der Menschen trotz seiner überdimensionierten Großmut zufrieden ist. Der Mensch könne mit Dankbarkeit sein Herz weicher machen. Er erhält dann die Möglichkeit, seine zwischenmenschlichen Beziehungen in Frieden zu gestalten.
Die von ihm vorgenommene Dreiteilung ist sehr bekannt geworden und wird noch heute, auch in nichtmuslimischen Schriften über Dankbarkeit ähnlich oder „psychologisiert“ übernommen. Für ihn ist Dankbarkeit ein Standplatz und Wegschreiter in den Stufen zu Gottesliebe und ist zusammengesetzt aus Wissen, Zustand und Handeln. Das Wissen ist die erste Wurzel, es bringt den Zustand und Zustand bringt das Handeln. Das Wissen ist die Erkenntnis der vom Geber verliehene Gaben. Der Zustand ist die Freude an seinen Gaben. Das Handeln ist die Ausführung des vom Geber Beabsichtigten und Gewünschten. Al-Ġazzālī hat in ausführlicher Weise für alle Organe mit Beispielen die Dankbarkeit ausgesprochen wie zum Beispiel die Dankbarkeit der Augen und der Ohren. „Deine Augen sind dankbar, wenn du einen Fehler, den du an deinem Gefährten siehst, verhüllst, deine Ohren sind dankbar, wenn du einen Fehler über ihn hörst, verhüllst.“
Dankbarkeit wird, wie in der modernen Psychologie auch, nicht nur positiv dargestellt, sondern auch teilweise in Frage gestellt. Die Worte des berühmten Sufis al-Ǧunaid, dass es „in der Dankbarkeit eine Mangelhaftigkeit gibt, da der Dankende für sich eine Mehrung sucht“ wird auf Hinblick auf die Koransure 14 Vers 7 betrachtet. In dieser Koransure heißt es: „Wenn ihr dankbar seid, werde ich euch noch mehr Gnade erweisen“. Ḥamdūn al-Qaṣṣār sagt in ähnlicher Weise, dass „der Dank für die Gabe darin besteht, dass du dich in ihm als Schmarotzer siehst“. Der Sufi Abū ͑ Uṯhmān sah sogar, dass man im Danken die Erkenntnis der
Unfähigkeit zu danken sehen kann. Somit ist es vollkommener für den Dank zu danken. Das ist dann der Fall, wenn der Mensch sieht, dass sein Dank durch Gottes Ermöglichen des Dankens gewirkt wird. Genau diesem Ermöglichen, dass dem Menschen der Dank gelingt, wird eine besondere Stellung gegeben; dies sei eine der erhabensten Gaben: „Darin dankst du Gott für das Danken, dann dankst du ihm für den Dank für das Danken, und so weiter ohne Ende.“ Al-Qušayrī führt weiter aus und berichtet, dass derjenige dankbar (šākir) ist, wer für das Vorhandene dankt, sehr dankbar (šakūr), wer für das Fehlende dankt. Dankbar ist, wer für die Gabe dankt, sehr dankbar, wer für die Verweigerung dankt.
Nach ʿUthmān und Ḥīrī danken die Gewöhnlichen für das Essen und die Kleidung, die Auserwählten für die geistigen Wirklichkeiten, die die Herzen anwandeln. Wahre Dankbarkeit ist allerdingst noch mehr: Sie sei die Erkenntnis der Unfähigkeit zu danken. So wird der Mensch in Bestürzung und Verwirrung zum wahren Dankenden. Nach Abū ʿUthmān ist der Dank die Erkenntnis der Unfähigkeit zu danken in Verherrlichung Gottes und Demütigung vor seiner Majestät. Der Mensch würde dann seine Unzulänglichkeit im Danken sehen, dass dann dazu führt, dass er in dieser Tat die ihm erwiesene Gnade sieht und auch dafür dankt. Das sei der Dank für den Dank beziehungsweise für die erhaltene Fähigkeit zu danken. Danach würde Gott ihm das Auge seines Herzens öffnen, sodass er sieht, dass die Erweisung des Dankes an Gott keine Grenzen hat, da die Erweisung des Dankes ihrerseits Dank erfordert. Nach aš-Šiblī bedeutet die Dankbarkeit, dass man den Geber sieht und nicht die Gabe.
Ein besonderer Ansatz ist, sich für Krankheiten bei Gott zu bedanken. Sufis haben die Krankheit „Nahrung“ genannt. In Sarrāǧ´s „Schlaglichter über das Sufitum“ gibt es dafür einige Beispiele. Nach Du n-nun al-Misrī ist man in seiner Liebe zu Gott nicht ehrlich, wenn man sein Zuschlagen nicht geduldig erträgt, nicht ehrlich, wenn man dabei sogar keine Wonne empfindet. Die Aussage, dass die Krankheit als „Nahrung“ verstanden wird, ist eher im modernen Sinne als Chance für eine Persönlichkeitsentwicklung zu verstehen und nicht als Strafe, da die Krankheit weder im Koran noch in Sunna als Strafe gesehen wird. Wenn wir in den oben vorgestellten Überlieferungen eine Reise in die Einzelheiten machen würden, könnten wir eine Reihe von Eigenschaften herausarbeiten, die jedem ganz persönlich ein Wohlbefinden schaffen könnten. Ob ein Dankesgebet in Hingabe oder eine Spende (ṣadaqa) für einen Flüchtenden in Dank oder nur das ins Gedächtnisrufen einer Zuwendung eines Familienmitglieds, eines Freunds oder eines Nachbarn: vielleicht hat für Sie ja mal jemand gekocht, oder einen Rat erteilt oder Ihnen Fahrradfahren gelehrt? Machen sie sich auf eine kleine Dankesreise und danken sie heute: Gott, dem Geliebten, ihren Eltern, ihren Kindern, einem Nachbarn, oder wem sie wollen. Es gibt immer etwas, wofür sie sich bedanken können. Eine Reise, die sich lohnt und tut gut. In diesem Sinne: „Danke fürs Lesen. Bleiben Sie dankbar und in Frieden“.
Dieser Artikel von mir erschien am 3.April 2016 in der Islamischen Zeitung mit dem Titel „Alles andere als ein abstraktes Konzept“.